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Polen und der Zweite Weltkrieg - Erinnerungsorte in Deutschland
Dezentrale Erinnerungslandschaften
Ähnlich wie in Polen ist auch in Deutschland der Zweite Weltkrieg fast allgegenwärtig. Keine Stadt ohne Gedenkorte, kaum ein Friedhof ohne Erinnerungen an die Zeit zwischen 1939 und 1945. Dennoch unterscheiden sich die Erinnerungslandschaften beider Länder stark. Die beiden deutschen Staaten taten sich schwer mit ihrem Erbe, der Erinnerung und der Auseinandersetzung mit ihrer Täterschaft. Trauer und Scham, Erinnerung und Vergessen gingen in der deutschen Erinnerungskultur der Nachkriegsjahrzehnte miteinander einher. Aber wie steht es mit Polens Platz in diesem Erinnern?
Die Diskussion um ein zentrales Berliner Gedenken für die Opfer Polens im Zweiten Weltkrieg wird seit einigen Jahren geführt. Zugleich existieren dezentral an unzähligen Orten Gedenkzeichen in Form von Erinnerungstafeln, Denkmalen oder Grabstellen. Diese Zeichen sind nicht nur Bestandteil der Geschichte der deutschen und polnischen Kultur und der Vergangenheit polnischen Lebens in Deutschland. Die Auseinandersetzung damit und die Erforschung und Erzählung ihrer Geschichten sind ein wichtiger Teil des deutsch-polnischen Verhältnisses.
Projektregionen 2021 und 2022: Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland
Für einige Regionen in den ersten drei Projektregionen Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland ist diese Geschichte noch unbekannter als für viele andere Bundesländer. Doch einige wenige Fälle verdeutlichen schon, dass es lohnt, genauer hinzuschauen: Zunächst war es die französische Militärregierung, die erinnernd tätig wurde. Auf dem Waldfriedhof in Mainz-Mombach wurden zwischen 1947 und 1950 über 3.000 polnische, sowjetische und tschechische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter*innen sowie deren Kinder aus ganz Rheinland-Pfalz beerdigt. Die Erinnerung an die polnischen Schicksale ist hier also, wie in anderen Fällen auch, nicht sofort sichtbar und bedarf weiterer Aufarbeitung. Ebenso wird in der Gedenkstätte für das Konzentrationslager Hinzert-Pölert den 41 polnischen Häftlingen zusammen mit Häftlingen anderer Nationen gedacht.
In Bad Kreuznach wurden 1979 auf dem Hauptfriedhof zwei Tafeln angebracht, die an die 28 ehemaligen KZ-Häftlinge eines Außenkommandos des Konzentrationslagers Sachsenhausen erinnern, die in der Nähe Zwangsarbeit an einer Eisenbahnbrücke leisten mussten. Unter den hier im Frühjahr 1945 ermordeten und in Sammelgräbern bestatteten Menschen befanden sich auch vier Polen, die mit Name und Geburtsdatum aufgeführt sind.
Ein individuelles Gedenken dagegen wurde in den 1970er Jahren in Stadecken-Elsheim auf Anregung des katholischen Pfarrers und durch Beschluss des Gemeinderats initiiert. Im Juni 1975 wurde auf dem Friedhof von Stadecken-Elsheim feierlich ein Gedenkstein für Leon Szczepaniak eingeweiht. Der Pole hatte seit 1939 als Kriegsgefangener in der Landwirtschaft in Stadecken-Elsheim arbeiten müssen. Er wurde für seine Beziehung zu einer deutschen Frau denunziert und im Mai 1942 gehängt.
Erinnerungszeichen als Lebenszeichen
Obwohl die Erinnerungszeichen an den Zweiten Weltkrieg, die erfasst werden, in erster Linie ein Gedenken an Opfer und an die Toten darstellen, sind sie zugleich oft die einzige sichtbare Spur polnischer Menschen und ihres Lebens in der Region.
Diese Lebenszeichen von Polinnen und Polen während des Zweiten Weltkriegs in Rheinland-Pfalz und im Saarland werden im Projekt dokumentiert und in einer Auswahl umfassender erforscht. Dabei geht es nicht nur um die materielle Ebene des Erinnerns, sondern auch um die dahinterstehenden Geschichten der Menschen, und um die Entstehung und Tradierung von Erinnerungsorten. Die Ergebnisse werden im Online-Portal Porta Polonica und durch das DPI, etwa im DPI-Blog, präsentiert, weitere Publikationen und eine Ausstellung sind geplant.
Wir suchen Erinnerungen, historische Dokumente und materielle Spuren!
Von den Millionen Frauen und Männern, die während des Zweiten Weltkrieges zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verbracht wurden, verteilte das NS-Regime auch über Hunderttausende Menschen auf dem Gebiet der heutigen Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, um sie dort in der Landwirtschaft, in Fabriken und in Wirtschaftsbetrieben auszubeuten. Die meisten derjenigen, die den Krieg überlebt hatten, kehrten nach Kriegsende in ihre Heimatländer zurück oder wanderten in Drittstaaten aus, manche verblieben aber an den Orten, an denen sie hatten Zwangsarbeit leisten müssen. Auch aus anderen Gründen gelangten Menschen aus europäischen Ländern wie Polen im Zweiten Weltkrieg oder unmittelbar danach nach Deutschland, etwa als Mitglieder der alliierten Streitkräfte. Oder Deutschland war für sie nach dem Krieg für eine gewisse Zeit Transitland auf der Reise in ein neues Leben.
Wir suchen:
- Hinweise auf die Schicksale von Polinnen und Polen in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.
- Spuren der Erinnerung an sie im öffentlichen Raum wie Gedenksteine, Tafeln u. a.
- Fotos, Dokumente – zum Beispiel Briefe, Karten, Ausweise, Tagebucheinträge.
- damit verbundene Erinnerungsstücke aus der Zeit des Nationalsozialismus und aus der Nachkriegszeit in der Region.
- ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und deren Angehörige.
- Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus der Region.
Wir nehmen Hinweise per E-Mail, per Post und telefonisch entgegen. Wer möchte, kann unser Kontaktformular nutzen (Word-Dokument zum Herunterladen).